Manchmal ist aufräumen nicht gut. Nicht weil auf einmal Ordnung herrschen könnte. Manchmal erblickt man etwas, was einem zeigt, vor was einem Scherbenhaufen aus Träumen man manchmal steht. Ich habe meinen Geschichten-Ordner gefunden und beschlossen, die bereits gerissenen und kaputten Folien zu ersetzen. Beim aufräumen ist es ja dann häufig so, dass man nicht einfach seine Aufgabe abarbeitet und zum nächsten übergeht. Das ist in den seltensten Fällen so. Und so saß ich mindenstens zwei Stunden auf dem Fußboden und betrachtete die Blätter, nahm sie auseinander und begann zu lesen.
Ich hatte so viel geschrieben, bereits seit der 5. Klasse hatte ich meine ersten Geschichten verfasst. Die erste gerade mal 36 DIN A 4 Seiten lang, unvollendet, wie die meisten. Und mit einem mal überkam mich die unendliche Traurigkeit, vielleicht doch nie etwas zu verwirklichen. Eine Kurzgeschichte war abgedruckt worden, in der Gewinneranthologie eines Wettbewerbs der Neuen Literarischen Gesellschaft Recklinghausen. Dneben existierten noch weitere Kurzgeschichten, manche erstrecken sich über mehrere Teile wie „Welcome to the Suicide“ und „Der Barde“, andere sind auf ihren langen und unzähligen Reisen mit mir verschollen, wie „Irish Nights“, eine klassische Grusel-und Geistergeschichte. Aber ich habe nicht nur die Geschichten an sich gefunden, ich habe Plotzettel, Charakterausarbeitungen, eigene Karten und sogar einen eigenen „Sprachführer“ wiedergefunden, den ich damals versucht habe zu verfassen.
Nach einer langen Zeit konnte ich den Anblick dieser gescheiterten Existenzen nicht mehr ertragen. So viele Geschichten wurden wurden nie zu Ende geführt, so oft habe ich Romane neu geschrieben, weil der Sprachstil „nicht mehr angemessen“ war. Die meisten meiner Geschichten entstanden zwischen meinem 13. und 18. Lebensjahr, also war es kaum verwunderlich wie sehr sich meine Ansicht zum sprachlichen Niveau gewandelt hat. Neunzig Prozent der Geschichten sind handgeschrieben, teils ordentlich auf liniertem, andererseits klein und gequetscht auf kariertem Papier. Und keine einzige (mit einer Ausnahme) hat den Weg aus diesem Ordner heraus gefunden. Habe ich all die Jahre etwas falsch gemacht, weil ich nicht offensiv und vorpreschend genug war, mich hinter eine Beendigung und veröffentlichung zu heften? Waren vielleicht meine Eltern Schuld, weil sie (insbesondere meine Mutter) mich belächelten und nicht versuchten mich zu fördern? Weil sie auf der einen Seite sagten Autor sei kein Beruf und man könne nicht davon leben und dann wieder meinte,wenn ich doch nur „einen“ Harry Potter veröffentlicht hätte, hätten „sie“ ausgesorgt. Solange es also irgendwann Geld bringen würde, war es ok, dass ich schreibe, tage-und nächtelang und auf Reisen eigentlich nicht mehr brauchte als einen leeren Collgeblock, ein Notizbuch und einen stets gefüllten Füller und wirklich überall schreiben konnte (und gerade dass auch so liebte). Egal ob bei Minustemperaturen und meterweise Schnee in Bayern oder in einer Skihütte, ob auf Burgen und Schlössern in Rheinland Pfalz, am Hafen von Greetsiel oder in der sengenden Hitze Kroatiens. Sobald es aber darum ging Schreibwerkstätten und andere Workshops zu besuchen…ja, da hieß es dann, dass man nicht wirklich Energie reinstecken bräuchte, wenn nachher kein brauchbares Resultat entstand. Auch dass ich zu den Wettbewerben eingeladen wurde, um nachher meine Kurzgeschichten vorzutragen oder auch dass ich bei der „Storytime“ (Gladbecks leider nur einmalige kleine Buchmesse 2005) einen Auschnitt aus meiner Fantasy Geschichte vor Publikum lesen durfte fand nur am Rande Beachtung. Klar waren meine Eltern kurzzeitig stolz, aber dass die Begesiterung längerfristig anhielt um daraus etwas zu machen, war nicht der Fall.
Diese und noch andere Gedanken überkamen mich und ich muss sagen, dass ich den Tränen nahe war, wie so oft hatte ich das Gefühl, dass meine ganzen Hobbies mir „nichts brachten“. Es kam nie etwas produktives dabei heraus, obwohl sie meistens produktiv-kreativer Natur sind, aber nie den Sprung aus meinem Leben in das Leben anderer schaffen. Sei es die Musik, die Kunst oder eben das Schreiben. Klar mag es für den ein oder anderen genügsam sein, nur für sich etwas zu machen und sich daran zu erfreuen. Aber ich wollte und will noch immer andere damit erfreuen. Das einzige Mal, wo mir das tatsächlich gelungen ist, ist bei meiner Theatergruppe. Diese musste ich aber leider bei dem Wohnortwechsel hinter mir lassen.
Ja, diese Gedanken sind deprimierend und haben mich an dem Tag sehr heruntergezogen. Meistens geht auch diese Zeit wieder vorbei, aber jetzt, da diese Tatsache einmal präsent ist in meinem Leben, wird sie wie ein Damoklesschwert über mir hängen und mir im Nacken sitzen. Es wird auch daran liegen, dass ich seit meinem Scheitern beim WriYoBo entmutigt gewesen bin, weiterzuschreiben (was war ich für eine Schande für meine Gilde -.-*), sei es Hells Gate Club oder ein anderer, noch unfertiger Roman von mir (aktuell vier Großprojekte, wenn man den „Barden“ mitzählt). Ich wusste natürlich, dass keine Ausnahmen gemacht wurden und dass die Admins vollkommen richtig gehandelt haben, dennoch war das für mich der Punkt wieder einmal alles hinzuschmeißen, Groll gegen meine Unfähigkeit zu hegen und habe seitdem kein einziges Wort mehr geschrieben. Für wen auch?
Alantya
Ach je :(. Das klingt so traurig …
Ich versuche, dir Mut zu machen, bin aber nicht sicher, ob es klappt.
– ich zeichne, seit ich fünf bin – und immer noch nicht wirklich gut, dafür aber gerne. Das ist okay, es ist ein reines Hobby.
– ich schreibe, seit ich es halbwegs gelernt habe. Meinen ersten Roman auch wirklich beendet habe ich erst mit 18 und der war so furchtbar, dass ich ihn fünf Jahre überarbeiten musste, ehe er verlagstauglich war und inzwischen liegt er auch schon ein paar Jährchen beim Verlag, der mit mir daran arbeitet, daraus ein annehmbares Buch zu machen
– auch bei mir kam die elterliche Anerkennung erst mit den ersten Veröffentlichungen und nur ganz langsam, davor war es ein Hobby, das vom Wesentlichen ablenkt – ich habe meinen Eltern allerdings schlicht verboten, das Schreiben „Hobby“ zu nennen. Das ist meine Berufung, ob es denen schmeckt oder nicht
– es ist völlig normal, als Kind/Teenie nichts fertig zu bekommen und/oder Zeugs wieder zu verwerfen – ich habe meine Geschichtenideen nicht immer aufgeschrieben, manche habe ich nur meiner Oma erzählt und sie erinnert sich noch an Ideen, die ich längst vergessen habe und fragt, wieso ich das nicht eigentlich schreibe – hätte sie gut gefunden, die Geschichte. Ich kann mich aber weder an die Idee erinnern, noch glaube ich, dass sie wirklich gut wäre – ich war nämlich bei der Entstehung der Idee zwölf und habe sie verworfen, ehe ich sie auch nur als Ideenskizze notiert hätte
– auch ich habe so einen Ordner und er löst bei mir Gefühle zwischen Wehmut und Belustigung aus. War eine schöne Zeit, aber das, was ich damals geschaffen habe, war halt größtenteils Quatsch, jetzt bin ich weiter.
Wenn du wen zum Reden brauchst, weißt du, wo du mich findest ❤
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